Seit einiger Zeit hatte die Fliegerin kaum Schlaf gefunden.
Sobald sie die Augen schloß war es ihr, als überkäme sie
eine weiße Ohnmacht. Irgend etwas, oder irgend jemand schien sie
zu rufen. - Aber wer und von wo? Shack wußte es nicht, doch sie würde es bald
herausfinden, dessen war sie sich sicher!
Entschlossen öffnete sie die Pilotenkanzel ihres
kleinen Raumgleiters und aktivierte die Triebwerke.
Wohin sie flog wußte sie nicht, aber sie kannte
den Weg.
Shack brauchte nur die Augen zu schließen und sie
sah ihn vor sich. Unzählige Sonnensysteme, Sternenkonstellationen,
Doppelsonnen, Pulsare... - Sie kannte den Weg, - und wußte doch
nicht wohin.
Der Bordcomputer fragte mehrmals, ob er nicht übernehmen
sollte. Sie lehnte mürrisch ab. - Was wußte der schon ? Bei
jeder anderen Sache hätte sie ihrem Schiff vertraut, aber das hier
war etwas anderes.
Waren es Tage die vergingen ?
Der Plan in ihrem Kopf veranlaßte sie dazu, ihr
Raumschiff abzubremsen. Nachdem das Schiff unter Transwarp gegangen war,
und der Weltraum wieder Konturen angenommen hatte, konnte sie sehen wo
sie war:
- Wenn es ein helles Zentrum im Universum gab, war sie
hier wohl am Weitesten davon entfernt. Die Sonne, um die der Planet, der
sich vor ihr befand kreiste, war schon lange erloschen. Seine Oberfläche
war schmutzigbraun.
- Sollte das etwa ihr Ziel sein ?
Sie umkreiste ungläubig den Planeten. Da tauchte
plötzlich aus dem schwarzen Schatten des Himmelskörpers etwas
Riesiges vor ihr auf. - Es war ein gigantisches Raumschiff !
Shack erstarrte. Abgesehen von der unglaublichen Größe,
hatte dieses Schiff nämlich enorme Ähnlichkeit mit ihrem eigenen.
Langsam flog sie an der Längsseite des Schiffes
vorbei.
Es mußte schon seit Urzeiten hier im Orbit sein,
denn sie konnte mehrere Meteoriteneinschläge erkennen.
Am hinteren Ende des Schiffes, unter den erloschenen
Triebwerken, befand sich ein Landehangar. Dort setzte sie ihren, im Vergleich
winzigen Raumgleiter, ab. Sie stieg aus und ging durch eine sechseckige
Schleusentür einen Gang entlang, der in einer gigantischen Antriebshalle
mündete. Der Anblick raubte ihr fast den Atem:
Sie stand auf einer schmalen, geländerlosen Sichelbrücke
und schaute zur himmelhohen Decke hinauf. Wie bei ihrem eigenen Schiff
war auch die Außenhaut dieses Schiffes leicht transparent und zwischen
unzähligen Leitungen schimmerte Sternenlicht hindurch.
Schräg über ihr, in etwa tausend Meter Entfernung,
befand sich eine breite torartige Öffnung. Sie breitete ihre Schwingen
aus und flog zu dem Eingang hinauf. Dort angekommen kam sie, ebenfalls
wieder durch eine sechseckige Tür, in den Komandoraum.
-Sie schrie auf!
Das, was sich da vor ihr im Pilotensessel befand, war
offensichtlich schon lange tot. Es hatte die Beine bequem auf dem Schaltpult
übereinander geschlagen, und zufrieden die Arme verschränkt.
Die zerfallenen Flügel hingen schlaf herab.
Es war glücklich gestorben - zweifellos.
Und dieses Wesen war von der gleichen Art wie sie selbst
- zweifellos!
Sie stöhnte gequält auf. Sie war zu spät
gekommen! Schaudernd wich sie zurück und berührte versehentlich
mit ihrem Rücken leicht eine Wand. Dadurch löste sie den Mechanismus
einer Tür aus. Dahinter befand sich eine Kabine. Erneut bot sich ihr
ein schrecklicher Anblick:
Das Wesen hatte sich, als es noch lebte, kopfunter mit
den Füßen an der Decke verhakt. In dieser Ruheposition war es
auch gestorben. Das Fleisch war verwest und die Knochen hatten keinen Halt
mehr gefunden. Fast das ganze Skelett war auf den Boden der Kabine gefallen
und bildete dort einen Haufen. Nur die Füße und Unterschenkel
waren hängengeblieben.
Entsetzt und verzweifelt taumelte Shack zurück in
die Mitte des Raumes.
Zu spät ! Sie sind tot ! Sie waren von deiner
Art und nun sind sie tot. Du kamst zu spät und hast versagt.Du
warst zu langsam und nun bist du allein für immer! - Gedankenfetzen
jagten durch ihren schmerzenden Kopf.
Doch da war plötzlich wieder diese weiße Ohnmacht
in ihrem Kopf, - wie ein telepatischer Ruf!
Es kommt von dem Planeten! Auf dem Planeten! Wurde
es ihr mit einem Mal bewußt.
Shack eilte zu ihrem Schiff, und mit ihm nach unten.
Bald war sie dicht über der Oberfläche des Planeten.
Trostlos, kahl, zerklüftet, felsig, tot und keine
Energie, dachte sie bei diesem Anblick. Da sah sie mit einem Mal die
Wrackteile eines Schiffes vor sich. Es war anscheinend nicht besonders
groß gewesen, doch von der Bauart, soviel konnte sie erkennen, glich
auch dieses dem ihren. Sie bremste ihr Schiff ab, flog eine enge Wendung
und landete. Der telepatische Ruf, der sie hergeführt hatte kam nicht
von dem Schiff, sondern aus einer Höhle, die sich dicht dahinter in
einer Felswand befand. Zögerlich, doch unbeirrt betrat sie langsam
die niedrige Öffnung im Gestein. - Dort war etwas im hintersten Winkel!
Zusammengekauert, im Schneidersitz, der Kopf vornübergekippt.
-Einer von ihrer Art- lebendig!!!
Shack sank vor der sterbenden Gestalt auf die Knie und
versorgte sie intuitiv mit lebenswichtiger Energie.
Da hob die Gestalt langsam den Kopf. Sie sahen sich ähnlich.
Jedoch hatte dieses Wesen silberschwarzes Haar und dunkelbraune Augen.
Außerdem war sein Gesicht länger und schmaler, als das von Shack.
Seine Augen sahen so unendlich alt und müde aus, - doch strahlten
sie nun vor Freude!
Shack legte den Kopf schief: "Du hast mich gerufen, nicht
wahr? Nun habe ich dich endlich gefunden. Erkläre es mir. Erkläre
mir alles - bitte!" Aus ihren Worten sprach Verzweiflung.
Da erhob die dunkelhaarige Gestalt ihre Stimme. Sie klang
dünn und schwach und zitterte bei jedem Wort: "Vor unendlich langer
Zeit lebte unser Volk friedlich und abgeschieden auf seinem Heimatplaneten.
Doch nichts währt Ewig und irgendwann war die Lebenszeit des Planeten
überschritten. Unsere Welt begann langsam auseinanderzubrechen und
der Planet drohte zu explodieren. Da erschufen wir aus der Energie unserer
Sonne eine Flotte von sieben riesigen Raumschiffen und unser gesamtes Volk
verließ für immer seine Heimat.
Doch wir hatten einen schrecklichen Fehler gemacht. Der
Energieverbrauch der Schiffe war zu hoch und der Abstand zwischen den Sonnen
zu weit.
Das große Sterben begann:
Viele von uns gaben ihre letzte Lebensenergie, um die
Schiffe anzutreiben oder andere am Leben zu erhalten. - Wir verloren langsam
Schiff für Schiff. Unser Volk starb. Das Schiff, daß du gesehen
hast, ist als einziges übrig geblieben. - Und ich bin die letzte Überlebende
unseres Volkes."
Shack war tief erschüttert. Als sie ihre Gedanken
nach einer Weile wieder etwas geordnet hatte, fragte sie: "Aber was ist
mit mir?" Die Gestalt lächelte müde, die vielen Worte hatten
sie sehr erschöpft. Doch noch konnte sie sich nicht ausruhen. "Ich
bin Kreit, dein Matahrr", sagte sie schlicht. "Matahrr ?" Shack legte
den Kopf wieder schief. "Ja", begann die Gestalt erneut, "hör gut
zu, mein Kind:
Ich und Xiar, dein anderer Matahrr waren verbundene Seelen.
Kurz bevor auch er an Energiemangel starb, teilten wir unsere beiden Seelen.
Die Teile verschmolzen und wurden zu einer neuen Seele,
- deiner! Aber du bist noch mehr, viel viel mehr, als das: Alle emphatische
Macht, alle körperlose Seelenenergie und aller Überlebenswille
unseres gesamten Volkes ist in dir vereint!
Wir schickten damals diesen letzten Funken Hoffnung unserer
gebündelten Energie auf die Reise, um einen besseren Ort zu finden,
als diesen. Du warst zu der Zeit noch körperlos und dein Bewußtsein
hatte sich noch nicht gebildet. Wir schickten dich durch Raum und Zeit.
Wie lange du geflogen bist weiß ich nicht, aber..." - "Aber, ich
habe es geschafft zu überleben und im Laufe der Zeit wurde ich zu
dem, was ich bin!"
"Du bist Anfang und Ende zugleich!" Shack´s Matahrr
lächelte matt. "So, nun weißt du alles, meine Aufgabe ist erfüllt,
nun laß mich sterben."
In Shack krampfte sich alles zusammen: "Nein !!! Bitte
laß mich nicht ganz allein!" "Willst du mir etwa verwehren, mich
nach all der langen Zeit wieder mit Xiar zu vereinen ?" Dunkle Augen schauten
Shack scharf an. Für einen Augenblick versank sie darin, um sie zu
ergründen...
Da bewegte sich ihr Matharr vor und berührte mit
seiner Stirn die ihre. Ein kleines Stück Energie verschmolz mit dem
großen und der Körper in Shack´s Armen sackte zusammen.
Sie senkte den Kopf. Nun endlich wußte sie, woher
sie kam und wer sie war. Sie wußte, daß es ihre Aufgabe war,
nach anderen Überlebenden zu suchen und mit ihnen eine neue Heimat
zu finden. Das war ihr Schicksal und ihre Bestimmung !
- Ob sie es wohl schaffen würde ?