Die Suche



Prolog:

Seit einiger Zeit hatte die Fliegerin kaum Schlaf gefunden. Sobald sie die Augen schloß war es ihr, als überkäme sie eine weiße Ohnmacht. Irgend etwas, oder irgend jemand schien sie zu rufen. - Aber wer und von wo? Shack wußte es nicht, doch sie würde es bald herausfinden, dessen war sie sich sicher!
Entschlossen öffnete sie die Pilotenkanzel ihres kleinen Raumgleiters und aktivierte die Triebwerke.

***

Wohin sie flog wußte sie nicht, aber sie kannte den Weg.
Shack brauchte nur die Augen zu schließen und sie sah ihn vor sich. Unzählige Sonnensysteme, Sternenkonstellationen, Doppelsonnen, Pulsare... - Sie kannte den Weg, - und wußte doch nicht wohin.
Der Bordcomputer fragte mehrmals, ob er nicht übernehmen sollte. Sie lehnte mürrisch ab. - Was wußte der schon ? Bei jeder anderen Sache hätte sie ihrem Schiff vertraut, aber das hier war etwas anderes.
Waren es Tage die vergingen ?
Der Plan in ihrem Kopf veranlaßte sie dazu, ihr Raumschiff abzubremsen. Nachdem das Schiff unter Transwarp gegangen war, und der Weltraum wieder Konturen angenommen hatte, konnte sie sehen wo sie war:
- Wenn es ein helles Zentrum im Universum gab, war sie hier wohl am Weitesten davon entfernt. Die Sonne, um die der Planet, der sich vor ihr befand kreiste, war schon lange erloschen. Seine Oberfläche war schmutzigbraun.
- Sollte das etwa ihr Ziel sein ?
Sie umkreiste ungläubig den Planeten. Da tauchte plötzlich aus dem schwarzen Schatten des Himmelskörpers etwas Riesiges vor ihr auf. - Es war ein gigantisches Raumschiff !
Shack erstarrte. Abgesehen von der unglaublichen Größe, hatte dieses Schiff nämlich enorme Ähnlichkeit mit ihrem eigenen.
Langsam flog sie an der Längsseite des Schiffes vorbei. Es mußte schon seit Urzeiten hier im Orbit sein, denn sie konnte mehrere Meteoriteneinschläge erkennen.
Am hinteren Ende des Schiffes, unter den erloschenen Triebwerken, befand sich ein Landehangar. Dort setzte sie ihren, im Vergleich winzigen Raumgleiter, ab. Sie stieg aus und ging durch eine sechseckige Schleusentür einen Gang entlang, der in einer gigantischen Antriebshalle mündete. Der Anblick raubte ihr fast den Atem:
Sie stand auf einer schmalen, geländerlosen Sichelbrücke und schaute zur himmelhohen Decke hinauf. Wie bei ihrem eigenen Schiff war auch die Außenhaut dieses Schiffes leicht transparent und zwischen unzähligen Leitungen schimmerte Sternenlicht hindurch.
Schräg über ihr, in etwa tausend Meter Entfernung, befand sich eine breite torartige Öffnung. Sie breitete ihre Schwingen aus und flog zu dem Eingang hinauf. Dort angekommen kam sie, ebenfalls wieder durch eine sechseckige Tür, in den Komandoraum.
-Sie schrie auf!
Das, was sich da vor ihr im Pilotensessel befand, war offensichtlich schon lange tot. Es hatte die Beine bequem auf dem Schaltpult übereinander geschlagen, und zufrieden die Arme verschränkt. Die zerfallenen Flügel hingen schlaf herab.
Es war glücklich gestorben - zweifellos.
Und dieses Wesen war von der gleichen Art wie sie selbst - zweifellos!
Sie stöhnte gequält auf. Sie war zu spät gekommen! Schaudernd wich sie zurück und berührte versehentlich mit ihrem Rücken leicht eine Wand. Dadurch löste sie den Mechanismus einer Tür aus. Dahinter befand sich eine Kabine. Erneut bot sich ihr ein schrecklicher Anblick:
Das Wesen hatte sich, als es noch lebte, kopfunter mit den Füßen an der Decke verhakt. In dieser Ruheposition war es auch gestorben. Das Fleisch war verwest und die Knochen hatten keinen Halt mehr gefunden. Fast das ganze Skelett war auf den Boden der Kabine gefallen und bildete dort einen Haufen. Nur die Füße und Unterschenkel waren hängengeblieben.
Entsetzt und verzweifelt taumelte Shack zurück in die Mitte des Raumes.
Zu spät ! Sie sind tot ! Sie waren von deiner Art und nun sind sie tot. Du kamst zu spät und hast versagt.Du warst zu langsam und nun bist du allein für immer! - Gedankenfetzen jagten durch ihren schmerzenden Kopf.
Doch da war plötzlich wieder diese weiße Ohnmacht in ihrem Kopf, - wie ein telepatischer Ruf!
Es kommt von dem Planeten! Auf dem Planeten! Wurde es ihr mit einem Mal bewußt.
Shack eilte zu ihrem Schiff, und mit ihm nach unten. Bald war sie dicht über der Oberfläche des Planeten. Trostlos, kahl, zerklüftet, felsig, tot und keine Energie, dachte sie bei diesem Anblick. Da sah sie mit einem Mal die Wrackteile eines Schiffes vor sich. Es war anscheinend nicht besonders groß gewesen, doch von der Bauart, soviel konnte sie erkennen, glich auch dieses dem ihren. Sie bremste ihr Schiff ab, flog eine enge Wendung und landete. Der telepatische Ruf, der sie hergeführt hatte kam nicht von dem Schiff, sondern aus einer Höhle, die sich dicht dahinter in einer Felswand befand. Zögerlich, doch unbeirrt betrat sie langsam die niedrige Öffnung im Gestein. - Dort war etwas im hintersten Winkel!
Zusammengekauert, im Schneidersitz, der Kopf vornübergekippt.
-Einer von ihrer Art- lebendig!!!
Shack sank vor der sterbenden Gestalt auf die Knie und versorgte sie intuitiv mit lebenswichtiger Energie.
Da hob die Gestalt langsam den Kopf. Sie sahen sich ähnlich. Jedoch hatte dieses Wesen silberschwarzes Haar und dunkelbraune Augen. Außerdem war sein Gesicht länger und schmaler, als das von Shack. Seine Augen sahen so unendlich alt und müde aus, - doch strahlten sie nun vor Freude!
Shack legte den Kopf schief: "Du hast mich gerufen, nicht wahr? Nun habe ich dich endlich gefunden. Erkläre es mir. Erkläre mir alles - bitte!" Aus ihren Worten sprach Verzweiflung.

Da erhob die dunkelhaarige Gestalt ihre Stimme. Sie klang dünn und schwach und zitterte bei jedem Wort: "Vor unendlich langer Zeit lebte unser Volk friedlich und abgeschieden auf seinem Heimatplaneten. Doch nichts währt Ewig und irgendwann war die Lebenszeit des Planeten überschritten. Unsere Welt begann langsam auseinanderzubrechen und der Planet drohte zu explodieren. Da erschufen wir aus der Energie unserer Sonne eine Flotte von sieben riesigen Raumschiffen und unser gesamtes Volk verließ für immer seine Heimat.
Doch wir hatten einen schrecklichen Fehler gemacht. Der Energieverbrauch der Schiffe war zu hoch und der Abstand zwischen den Sonnen zu weit.
Das große Sterben begann:
Viele von uns gaben ihre letzte Lebensenergie, um die Schiffe anzutreiben oder andere am Leben zu erhalten. - Wir verloren langsam Schiff für Schiff. Unser Volk starb. Das Schiff, daß du gesehen hast, ist als einziges übrig geblieben. - Und ich bin die letzte Überlebende unseres Volkes."
Shack war tief erschüttert. Als sie ihre Gedanken nach einer Weile wieder etwas geordnet hatte, fragte sie: "Aber was ist mit mir?" Die Gestalt lächelte müde, die vielen Worte hatten sie sehr erschöpft. Doch noch konnte sie sich nicht ausruhen. "Ich bin Kreit, dein Matahrr", sagte sie schlicht. "Matahrr ?" Shack legte den Kopf wieder schief. "Ja", begann die Gestalt erneut, "hör gut zu, mein Kind: Ich und Xiar, dein anderer Matahrr waren verbundene Seelen. Kurz bevor auch er an Energiemangel starb, teilten wir unsere beiden Seelen.
Die Teile verschmolzen und wurden zu einer neuen Seele, - deiner! Aber du bist noch mehr, viel viel mehr, als das: Alle emphatische Macht, alle körperlose Seelenenergie und aller Überlebenswille unseres gesamten Volkes ist in dir vereint!
Wir schickten damals diesen letzten Funken Hoffnung unserer gebündelten Energie auf die Reise, um einen besseren Ort zu finden, als diesen. Du warst zu der Zeit noch körperlos und dein Bewußtsein hatte sich noch nicht gebildet. Wir schickten dich durch Raum und Zeit. Wie lange du geflogen bist weiß ich nicht, aber..." - "Aber, ich habe es geschafft zu überleben und im Laufe der Zeit wurde ich zu dem, was ich bin!"
"Du bist Anfang und Ende zugleich!" Shack´s Matahrr lächelte matt. "So, nun weißt du alles, meine Aufgabe ist erfüllt, nun laß mich sterben."
In Shack krampfte sich alles zusammen: "Nein !!! Bitte laß mich nicht ganz allein!" "Willst du mir etwa verwehren, mich nach all der langen Zeit wieder mit Xiar zu vereinen ?" Dunkle Augen schauten Shack scharf an. Für einen Augenblick versank sie darin, um sie zu ergründen...
Da bewegte sich ihr Matharr vor und berührte mit seiner Stirn die ihre. Ein kleines Stück Energie verschmolz mit dem großen und der Körper in Shack´s Armen sackte zusammen.
Sie senkte den Kopf. Nun endlich wußte sie, woher sie kam und wer sie war. Sie wußte, daß es ihre Aufgabe war, nach anderen Überlebenden zu suchen und mit ihnen eine neue Heimat zu finden. Das war ihr Schicksal und ihre Bestimmung !

- Ob sie es wohl schaffen würde ?

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